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Freak Valley Festival 2015 - Samstag - AWO-Gelände Netphen-Deuz - 06.06.2015

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Die griechischen TUBER rücken kurzentschlossen im Programm um einen Slot nach vorne, da KAMCHATKA sich per Flugzeug verspäten. Somit kommt das Publikum in den unerwarteten Genuss dynamisch zielsicheren Instrumental Rocks. Eingängig, locker und kräftig bringen die Südländer die Reihen vor der Bühne zum Mitwippen und nach einigen Songs herrscht trotz mehr als gemütlicher Wärme einige Bewegung im weiten Rund. Der Sound von TUBER kombiniert die sphärische Weite von Long Distance Calling mit einem starken Groove à la Glowsun und kommt somit beim Freak Valley richtig gut an. Die sympathische Ausstrahlung der Griechen spottet aller dümmlichen Klischees, die in den letzten Jahren durch den Blätterwald des Boulevards gejagt wurden, und wer immer noch nicht glaubt, dass Musik ganz einfach Grenzen überwinden kann, der kann auch nur über den Applaus staunen, den TUBER am Ende eines überraschend mitreißenden Gigs ernten.


Danach macht sich dann doch das schwedische Power / Blues Rock Trio KAMCHATKA ans Werk, dem die Reisestrapazen nicht anzumerken sind. Mit einer gehörigen Portion guter Laune begrüßt Thomas Juneor Andersson das Publikum, dem in der nächsten Stunde eine bemerkenswert geradlinige Version von KAMCHATKA präsentiert wird – immerhin hat der Ausnahmegitarrist in der Vergangenheit schon manches Lied per Soli und Improvisation gewaltig ausgedehnt. Heute allerdings rocken die drei Vollblutmusiker auf eine Weise ab, die keinen Zweifel daran lässt, dass Bassist Per Wiberg längst mehr als eine Aushilfe ist. So übernimmt er bei einigen Songs vom neuen Album „Long Road Made Of Gold“ den Gesang, und drückt auch einem Lied aus den Anfangstagen der Band seinen Stempel mit sattem Groove auf. Statt Ego-Problemen regiert bei den beiden Virtuosen an den Saiteninstrumente also die reine Spielfreude, während Schlagzeuger Tobias Strandvik die bluesigen Nummern druckvoll nach vorne treibt. Die gute Laune springt über, auch wenn die Schweden in punkto Wucht mit den Griechen nicht mithalten können.

Rund halb so alt an Jahren sind die drei Jungs von THE VINTAGE CARAVAN aus Island, die bereits beim Branchenriesen Nuclear Blast unter Vertrag stehen und mit ihrem Namen und Erscheinungsbild zunächst mäßig originell erscheinen, nicht um zu sagen: Óskar Logi an der Gitarre sieht aus, als wäre er in die Kleiderkammer der Kelly Family gepurzelt. Dass diese Milchb..., Verzeihung, Jungspunde in der kommenden Dreiviertelstunde mit 200 Prozent Spielfreude auftrumpfen, war nicht unbedingt abzusehen, stellt jedoch die Verhältnisse klar: diesem Trio gehört zweifelsohne die Zukunft! Zum Henker mit den Vintage-Klischees – was die Isländer abziehen, ist einfach der pure Rock'n'Roll, der in die Beine geht, die Haare fliegen lässt, Jung und Alt begeistert und Fragen nach dem Warum und Wieso einfach mal ausblendet. Logi und Bassist Alexander Örn sind pausenlos in Bewegung, ziehen Grimassen, kommunizieren mit dem Publikum und stellen alles an, um auch den letzten Zweifler auf ihre Seite zu ziehen. Das könnte alles etwas dick aufgetragen wirken – tut es aber nicht, denn die drei Isländer sind einfach zu jung und strahlen echte Begeisterung aus. Der Gewinner des Tages steht somit fest.

Es spricht für die Organisatoren des Freak Valley, dass im Anschluss eine Band wie CRIPPLED BLACK PHOENIX ihre eigene Version progressiv angehauchten Psychedelic Rocks zum Besten geben und somit einen Kontrastpunkt zur vorigen Band setzen darf. Abwechslung wird heute besonders groß geschrieben und neben einer treuen Anhängerschaft ist das wohl der entscheidende Grund dafür, dass sich einmal mehr viele Leute vor der Bühne einfinden – es bleibt nämlich spannend, und das liegt nicht nur an der Inszenierung mit eigenwilligen Bannern und düsterer Ästhetik, sondern auch an der nicht ganz einfach einzuordnenden Musik. Der Kniefall vor Pink Floyd gerät einfach schön, doch CRIPPLED BLACK PHOENIX setzen auch eigene kraftvolle Akzente, nicht zuletzt mit einer Sängerin, die auch noch eines von zwei Keyboards bedient.


Für den nächsten Kontrast sorgen die unfreiwilligen Urväter des Sludge in Gestalt von EYEHATEGOD, und die Veteranen spalten das Publikum nicht nur im Vorfeld: Während einige von dem Fünfer aus New Orleans in seiner schroffen Art mehr als nur angetan sind, ergreifen andere die Flucht. Sänger Mike IX Williams macht einen ziemlich mitgenommenen Eindruck, und auch wenn die Riffs an doomiger Power wenig vermissen lassen, so mangelt es der Band nach meinem Empfinden an Tiefgang und Atmosphäre, so dass ich mich auch aus dem Staub mache.

Deutlich wohler fühle ich mich, als ELECTRIC MOON in der Abenddämmerung in ihre eigene musikalische Welt eintauchen, und zwar auf hypnotisch zu nennende Weise: Gitarrist Sula Bassana rast mit der rechten Hand nur so über die Gitarrenseiten und nutzt die Effektgeräte zu seinen Füßen auf lautmalerisch vereinnahmende Weise, während Bassistin Komet Lulu und Schlagzeuger Marcus einen dichten Rhythmusteppich weben. Die drei haben eine gemeinsame Vision und verfolgen diese konsequent, leidenschaftlich, sogar ein bisschen besessen – kurzum: ziemlich freakig. Da werden mit einem Mal Erinnerungen an Papir aus Dänemark wach, die mich letztes Jahr ähnlich beeindruckt hatten.

Fazit: Auch mit deutlich größerer Besucherzahl bewahrt das Freak Valley Festival seinen familiären Charme und punktet dank seines guten Rufs mit einer in diesem Jahr ungewohnt abwechslungsreichen Bandauswahl, die verschiedene Geschmäcker anspricht und junge Hoffnungsträger und wilde Talente neben alte Hasen oder Geheimtipps platziert. An den meisten Details gibt es kaum etwas zu meckern: der Sound ist schön knackig, die meisten Besucher sind freundlich, die Auswahl an Speisen ist besonders formidabel, und es gibt nach wie vor genügend Platz, sich hier und dort auf dem AWO-Gelände niederzulassen und auch mal einfach nur zu dösen, zu klönen oder zu schaukeln.
Bei der Hitze kommt es allerdings wiederholt zu Engpässen beim Bierausschank: Mal fehlt es an Bechern, dann an Bier. Es spricht für die jederzeit gut aufgelegte Crew, diese kleinen Pannen so engagiert wie gelassen zu beheben. Für die fünfte Auflage anno 2016 kann man Jens Heide und seinem Team also nur wünschen, dass sie weiter auf so viel Begeisterung bei allen Beteiligten bauen können. Ich freue mich jedenfalls schon, auch im nächsten Jahr den sympathischsten Festival-Ansager Volker (Rockblog Bluesspot) zu hören, wenn es wieder heißt: „Liebe Freunde, und nun auf unserem Freak Valley Festival...“

Thor Joakimsson (Info)

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